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Hear the World Pose

Peru: Freiwillige testen 31.000 Kinder auf Hörverlust

In Peru gibt es keine staatlichen Hörscreening-Programme und kaum Fachkräfte, Hörverluste bleiben oft unentdeckt. Daher hat die Hear the World Foundation zusammen mit der World Wide Hearing Foundation International ein Projekt gestartet, welches Kinder auf Hörverlust testet und Experten vor Ort schult.

Lange Zeit war die Welt um den sechsjährigen Samuel ganz still. Er reagierte nicht, wenn es an der Tür klopfte, und nicht, wenn der Fernseher lief. Wenn die anderen sich unterhielten und lachten, blieb er still. In der Schule traute er sich nicht, die Hand zu heben. Auch seine beiden Geschwister Loammy (16) und Mishael (10) konnten ihm nicht gut zur Seite stehen, beide ebenfalls litten unter einem Hörverlust. Die Tante wusste zwar von dem Hörverlust der Kinder, aber es fehlte das Geld für die entsprechenden Hörgeräte – und das ist leider Alltag in Peru: Weil nicht jeder Zugang zum Gesundheitssystem hat, und weil viele Hörprobleme gar nicht erst erkannt werden. Denn es gibt kaum Screenings für Neugeborene oder Schulkinder, und im ganzen Land nur zehn Audiologen. Zudem ist das nötige Equipment für kaum eine Einrichtung erschwinglich. Dabei leiden etwa 532.000 der gut 32 Millionen Peruaner unter einem Hörverlust.  

Deshalb ist die Hörscreening-Kampagne der Hear the World Foundation und ihrem Partner, der World Wide Hearing Foundation International, ein Glücksfall für Samuel. Denn Ziel der Kampagne ist es, Hörverluste zu vermeiden, zu erkennen und die betroffenen Kinder zu unterstützen – und davon profitiert Samuel.

Angefangen hat alles 2016 mit einer Zusammenarbeit der Hear the World Foundation, einer Initiative der Sonova Gruppe , die sich weltweit für bedürftige Menschen mit Hörverlust, insbesondere für Kinder, einsetzt, und der Non-Profit-Organisation World Wide Hearing Foundation International (LINK: www.wwhearing.org). Diese Non-Profit-Organisation entwickelt innovative Lösungen, um Kindern und Jugendlichen in Entwicklungsländern und unterversorgten Regionen Zugang zu qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Hörlösungen zu gewährleisten.

Sonova Volontäre im Einsatz

Alejandro Linan, Technical Audiology bei Sonova Ibérica in Spanien, passt Samuel die Hörgeräte an. Dann ertönt ein  Pfeifton. «Kannst du das hören?» fragt Alejandro. «Ja, hier!», ruft der Junge und zeigt auf sein Ohr. Er lacht lauf auf. Zum ersten Mal im Leben hört Samuel einen Ton so laut und deutlich wie andere Menschen ohne Hörverlust. Auch bei seinen beiden Geschwister wird ein Hörverlust diagnostiziert und sie werden mit Hörgeräten der Sonova Marke Phonak versorgt.  

Jetzt können die drei sich nicht nur untereinander verständigen, sondern auch dem Schulunterricht besser folgen. “Unser Traum wird wahr”, sagt Samuels Tante, bei der er lebt und aufwächst.

 

Hearing test
Wer etwas hören kann, hebt die Hand!

Effiziente Tests dank einer iPad App

Der Meilenstein, der auch Samuel das Hören ermöglicht, ist das Training von Einheimischen – Hilfe zur Selbsthilfe ist der Kern der Kampagne: Die beiden Stiftungen binden peruanische Sprachtherapiestudenten und -lehrer mit ein. So sind sie zu einem wichtigen Teil des Gesundheitsversorgung geworden. Denn erstmals werden einheimische Fachleute in die Lage versetzt, eigenständig Screenings durchzuführen und so zur Verbesserung der audiologischen Versorgung im Land beizutragen. Dabei können die Studenten einerseits die Sonova Audiologen vor Ort befragen – und auch selbst Experten und unabhängig von Expertise von aussen werden. Sie führen die Screenings durch und lernen, Warnsignale von Hörschäden zu erkennen. Lehrer zum Beispiel sollten aufmerksam werden, wenn sie beobachten, dass ein Kind dem Unterricht nicht folgt und sich nicht beteiligt.  

Dabei greift die Kampagne auf mobile Technologien zurück, um die Screenings schnell und leicht zu machen: Die Sonova Volunteers führen nicht nur Hörtests durch, sondern beraten auch die peruanischen freiwilligen Helfer vor Ort. Diese sind mehrheitlich Sprachtherapeuten und erhalten mit der iPad App «Shoebox» ein Hörtest-Training und eine Einführung in die Untersuchung des äusseren Gehörgangs und des Trommelfells mittels eines Otoskops. Während der Einsätze können die peruanischen Freiwilligen immer wieder auf das Wissen der Sonova-Experten zurückgreifen, Fragen stellen oder sich eine Expertenmeinung einholen. Diese Einsätze ermöglichen somit einen Austausch auf professioneller wie auch auf sozialer Ebene.  

Hörsceenings in Lima und im ganzen Land

Bisher waren insgesamt 31 Sonova Mitarbeitende aus 13 Ländern als freiwillige Helfer der Hear the World Foundation tätig. Während ihrer einwöchigen Einsätze testen sie nicht nur das Gehör der Kinder, sondern vermitteln auch wertvolles Fachwissen an die peruanischen Kollegen und stehen ihnen mit ihrem Expertenwissen zur Seite. „Die Zusammenarbeit zwischen World Wide Hearing und Hear the World ist sehr wichtig. Wir können verschiedene Aspekte fachlich diskutieren und auch kulturelle Unterschiede berücksichtigen“, sagt Jordan Varillas, Projektkoordinator bei World Wide Hearing Foundation International.  

Mit Spendengeldern von Hear the World beschäftigt die World Wide Hearing Foundation International Jordan Varillas zusammen mit Rosario Urdanivia als Trainer an der  öffentlichen Hochschule Universidad Nacional Federico Villarreal. Es gibt einen Audiologie-Kurs im Rahmen des Sprachtherapie-Studiums, aber noch ist Audiologie weder hier noch an anderen Universitäten ein eigenständiger Studiengang. Manche Studenten machen ihren Abschluss immer noch ohne jede Erfahrung in Audiometrie. Nur mit etwas Glück konnten sie während ihres Studiums ein wenig praktische Erfahrung mit Patienten sammeln.  

Damit ist die Teilnahme an den Trainings für viele Studenten eine sehr wichtige Erfahrung: Es ist die erste und oft einzige Möglichkeit, den Umgang mit Otoskopen und Audiometern zu üben. Und Jordan Varillas ist zuversichtlich, dass die Screenings im Rahmen von Praktika nur der erste Schritt sind auf dem Weg zu regulären Audiologie-Seminaren.

 

 

Group Picture Hear the World Foundation
Das Team der Sonova Freiwilligen und ihre peruanischen Kollegen: Insgesamt 31 Sonova Mitarbeitende haben seit 2016 das Projekt unterstützt. 

Profis im Einsatz: von 1.000 auf über 4.000 Tests pro Woche

Als das erste Team von Sonova Freiwilligen im April 2017 für eine Woche nach Lima reiste, testete es rund 1.000 Kinder auf Hörverlust. Die Volontäre schafften es aber, die Prozesse und Abläufe der Hörtests im Laufe des Projekts immer weiter zu verbessern, so dass sie im September 2018 in einer Woche schon mehr als 4.400 Screenings durchführen konnten.  

Der Ablauf ist sehr effizient: Erst kontrollieren die Volontäre die Gehörgänge und stellen sicher, dass sie nicht durch Ohrwachs verstopft sind. Nach dem einfachen Gehörtest mittels der iPad App «Shoebox» werden Kinder, die den Test nicht bestehen, von einem Audiologen untersucht, der dann einen zweiten Test durchführt.  

Wenn Kinder von Hörverlust betroffen sind, bekommen sie Hörgeräte der Sonova Marken Unitron oder Phonak angepasst und erhalten eine Nachbetreuung. Die von Sonova gespendeten Geräte helfen den Kindern, eine Verbindung zur Welt herzustellen, aus der sozialen Isolation herauszukommen und so ihr Potenzial zu entfalten.  

Partnerschaft mit Vibes

Unterstützt wird das Hilfsprojekt auch von Vibes (http://www.discovervibes.com/ ), einem Hersteller von High-Fidelity-Ohrstöpseln, der seit 2016 Partner der Hear the World Foundation ist. Um gutes Hören zu fördern, spendet Vibes einen Teil seines Gewinns regelmässig an Projekte der Stiftung. So konnte bereits eine Klinik für die Nachversorgung der Kinder in Lima aufgebaut werden – auch das ein Novum für das Land.

Projekt wird fortgeführt und ausgeweitet

Im Jahr 2019 ist geplant, die erfolgreiche Hörscreening-Kampagne auf Regionen ausserhalb der Hauptstadt Lima auszuweiten. Zusätzlich zu den Screenings in Schulen erhebt die World Wide Hearing Foundation International Daten über die Verbreitung von Hörschäden. Das soll helfen, die Forschung in diesem Bereich in Peru voranzutreiben. Die Trainingsmodule des Screening sollen ein integraler Teil des universitären Curriculums werden – ein weiterer Baustein in der Hilfe zur Selbsthilfe. Die erhobenen Daten werden zur Global Hearing Loss Database hinzugefügt und so für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie für Forscher und Praktiker weltweit verfügbar gemacht.