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Eine Zukunft für Chahama

Fast 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge leben im Libanon, die medizinischen Versorgung ist mangelhaft. Um Kindern mit Hörverlust zu helfen, spendete die Hear the World Foundation im Herbst 2017 Hörgeräte für 100 libanesische und syrische Kinder in Beirut. Für einige Kinder bedeutet diese Spende zum ersten Mal im Leben zu hören.

Ihr Haus in Syrien war gross und schön, erinnert sich Chahama. Doch dann kam der Krieg, die Angst, die Zerstörung, die Flucht. Heute wohnt die Zehnjährige mit ihren Eltern und den drei jüngeren Geschwistern im Libanon. Dem Krieg entkommen, eröffnete sich für die Familie ein komplexes Panorama: Flüchtlinge dürfen im Libanon nicht arbeiten. Eine staatliche Unterstützung erhalten sie nicht. Die Eltern waren verzweifelt: Wie sollten sie unter diesen Umständen Hilfe für ein zehnjähriges Mädchen mit Hörverlust finden? Welche Zukunft würde ihre Tochter haben?

Es war der Zufall, der die Hoffnung zurückkehren liess. Chahama spielte mit ihren drei jüngeren Geschwistern in einem öffentlichen Park in Beirut. Eine Mitarbeitende der Gehörlosenschule IRAP (Institut de Rééducation Audio-Phonétique) beobachtete die Kinder – und sprach mit der Direktorin. „Die Lehrerin fragte mich, ob das Mädchen an unsere Schule kommen könnte und ich habe zugestimmt“, sagt Schulleiterin Nicole Helou. „Und so kam Chahama zu uns und die Eltern waren sehr froh, dass ihre Tochter in guten Händen war und lernen konnte. Heute trägt sie dank Hear the World zwei neue Hörgeräte. Wir freuen uns sehr darüber und Chahamas Familie ebenso.“

 

Und so kam Chahama zu uns und die Eltern waren sehr froh, dass ihre Tochter in guten Händen war und lernen konnte. Heute trägt sie dank Hear the World zwei neue Hörgeräte. Wir freuen uns sehr darüber und Chahamas Familie ebenso.

Nicole Helou, Direktorin IRAP (Institut de Rééducation Audio-Phonétique)

Fast 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge hat der Libanon bereits aufgenommen. Die meisten von ihnen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, um den Alltag zu meistern. Auch eine ärztliche Versorgung ist nicht immer gewährleistet – erst recht keine hörmedizinische. Viele Flüchtlingskinder haben ihr Gehör bei Bombenanschlägen verloren, manche leiden unter nicht behandelten Entzündungen. Auch mangelnde Hygiene kann einen Hörverlust verursachen, der für Kinder schwerwiegende Folgen hat: Hören zu können ist wichtig für die Sprachentwicklung. Sprechen lernen ist wiederum eine wichtige Grundlage für eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.

Zwar gibt es im Libanon Schulen für Kinder mit Hörverlust – aber diese sind stark unterfinanziert, Sprachtherapie kommt zu kurz oder findet nicht statt. Zudem fordern viele Einrichtungen von den Eltern Extrazahlungen, berichtet die Organisation Human Rights Watch. Die Hear the World Foundation gibt mit dem Projekt HearLebanon Hoffnung, indem sie hundert Kinder mit Hörverlust mit modernsten Hörgeräten versorgt.

 

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Hani Houri, CEO von Houri-Hearing: „Unter den Flüchtlingen sind viele Kinder, die keinen Zugang zu einer grundlegenden medizinischen Versorgung haben und schon gar nicht zu einer hörmedizinischen Versorgung.“

Projektpartner im Libanon ist Hani Houri. Der CEO des Hörakustik-Unternehmens Houri-Hearing sieht es als seine gesellschaftliche Pflicht an zu helfen: „Aufgrund des Kriegs sind in den letzten fünf Jahren sehr viele syrische Flüchtlinge in den Libanon gekommen. Unter diesen Flüchtlingen sind viele Kinder, die keinen Zugang zu einer grundlegenden medizinischen Versorgung haben und schon gar nicht zu einer hörmedizinischen Versorgung“, erklärt Hani Houri. „Um diesen Kindern gutes Hören zu ermöglichen, initiierten wir dieses Projekt zusammen mit der Hear the World Stiftung.“

Ende 2017 schickte die Hear the World Stiftung ein Team von freiwilligen Helfern in den Libanon: Sonova Mitarbeitende aus Belgien, Deutschland, Italien, Grossbritannien, den USA und dem Jemen. Zunächst führten die Spezialisten mit jedem Kind einen Hörtest durch. Denn viele der Kinder haben noch ein Restgehör. Etwa die siebenjährige Isra, deren Familie aus Aleppo in den Libanon floh. Doch ein Ton muss sehr laut sein, damit das Mädchen ihn überhaupt wahrnimmt.

Die Tests sind spielerisch angelegt: Isra hält sich eine Plastikbanane ans Ohr und wirft diese in einen Plastikbehälter, sobald sie über die Lautsprecher einen der lauten Pieptöne hört. Dann nehmen die Sonova-Experten Ohrabdrücke, mit deren Hilfe der lokale Partner Houri Hearing die Ohrpassstücke fertigen kann. Drei Wochen später erhält jedes Kind sein individuell angepasstes Hörgerät. Sollte ein Hörgerät einmal nicht funktionieren, können die Familien sich an die Filialen von Houri-Hearing wenden. Nur wenn die Nachversorgung gewährleistet ist, ist die Hilfe nachhaltig.

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Nicole Helou, Leiterin der Gehörlosenschule IRAP in Beirut: „Heute trägt Chahama dank Hear the World zwei neue Hörgeräte. Wir freuen uns sehr darüber und Chahamas Familie ebenso.“

„Die Reise war sehr bewegend, ich kann es kaum in Worte fassen“, erinnert sich Sally Arafat, die normalerweise für Sonova in Jordanien arbeitet und als Freiwillige Helferin für das Projekt von Hear the World in den Libanon flog. „Diese unschuldigen Kinder wurden Opfer von Bombenanschlägen, die sich während des Kriegs in Syrien ereigneten. Es ist so traurig. Die Eltern erzählten von den Bomben, die explodierten, während ihre Kinder schliefen und wie diese danach für einen Monat nicht mehr sprachen. Sie waren in einem Schockzustand und die Eltern realisierten erst später, dass ihre Kinder nichts mehr hörten.“ Das Projekt von Hear the World eröffnet diesen Kindern echte Zukunftschancen. So auch der kleinen Chahama.

Das Mädchen sitzt neben ihrem Vater auf dem Sofa im Wohnzimmer und lächelt. „Ich habe neue Hörgeräte bekommen und ich bin glücklich“, sagt sie ein bisschen leise, aber gut verständlich. Ihr Vater ist froh: Er merke, dass Chahama sich wohler fühlt. „Als ich sie heute Morgen mit dem Auto zur Schule fuhr und sie fragte, ob sie mich hören kann, antwortete sie mir: Ja. Sie sass neben mir und wir sprachen miteinander und sie konnte jedes Wort, das ich sagte, hören.“

Einen Berufswunsch hat Chahama bereits: Lehrerin für Kinder mit Hörverlust.