Direkt zum Inhalt

Der Fisch: Spürsinn und Ohr in einem

Fische sind weder taub noch still. Im Gegenteil: Ein „normales“ Ohr würde unter Wasser nicht einmal ausreichen, um die genaue Richtung des Schalls zu orten. Die Herausforderung meistern Fische mit einem Röhrchen, das an das menschliche Innenohr erinnert. 

Unter Wasser ist einiges los – auch wenn wir es nur selten hören und überhaupt nur einen Teil davon wahrnehmen können, selbst wenn wir unter Wasser sind: Fische geben Laute von sich, um sich mit ihren Artgenossen zu verständigen. Sie knirschen, sondern blubbernde Wasserblasen ab oder machen Geräusche, wenn Luft aus der Schwimmblase entweicht. Vor allem bei Schwarmfischen können diese Rufe überlebenswichtig sein. Wie aber hören die Fische?

Sie verfügen über kleine, flüssigkeitsgefüllte Röhrchen hinter den Augen, die ähnlich funktionieren wie das Innenohr von Landwirbeltieren: Auftreffende Schallwellen bringen kleine Gehörsteinchen aus Kalk, die in der Flüssigkeit schwimmen, zum Schwingen. Diese Schwingungen erregen feine Sinneszellen, die wiederum ihre Information ans Gehirn weiterleiten. Dabei hören verschiedene Fischarten auch verschieden gut: Manche Aquarienfische nehmen Schall nur begrenzt wahr, während bei einigen Arten das Innenohr mit der Schwimmblase verbunden ist, sodass Schwingungen der Blase auf dieses übertragen werden. 

Ein Mensch an Land weiss, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt, weil es das der Schallquelle zugewandte Ohr etwas schneller erreicht als das abgewandte Ohr.  Aber Wasser stellt ganz andere Anforderungen an die Sinnesorgane als Luft. „In Brandungsnähe etwa ist das Wasser düster, aufgewühlt. Also müssen sie sich akustisch orientieren“, erklärt Stefan Launer, Senior Vice President Audiology & Health Innovation und Sonovas Experte in Sachen Hörforschung. Auf solche Herausforderungen haben die Fische sich eingestellt, mit hoch spezialisierten Mechanismen. „Allgemein kann man sagen, dass Tiere insgesamt ein viel spezialisierteres Gehör haben als Menschen“, sagt Launer. 

Ein „normales“ Ohr reicht unter Wasser nicht, um die genaue Schallrichtung zu orten – im Wasser breiten sich Schallwellen viermal schneller aus als in der Luft. Die zeitliche Differenz, mit der Schall die Ohren erreicht, ist zu klein, um die Quelle zu orten. Deshalb haben Fische ein weiteres hoch spezialisiertes Organ, mit dem sie Druckwellen aus der Umgebung wahrnehmen können: das Seitenliniensystem. Von aussen kann man dieses Organ oft als feinen Längsstreifen sehen: Das Organ liegt seitlich am Fischkörper unter der Haut, hier verläuft eine mit Schleim gefüllte Röhre, die durch feine Poren mit der Aussenwelt verbunden ist. Mit diesem hochsensiblen Ferntastsinn können die Fische Erschütterungen wahrnehmen, Strömungen und Töne im Wasser. Und auch, woher diese Signale kommen. „Ausserdem haben sie das Seitenlinienorgan auch, um ihre Stabilität zu halten“, erläutert Launer. „Das menschliche Gleichgewichtssystem ist gewissermassen davon abgeleitet.“

Wie beim Fisch-Ohr befinden sich in dieser zweiten, mit Flüssigkeit gefüllten Röhre, feine Haarsinneszellen, die auf Druckwellen reagieren: Normalerweise schiebt der schwimmende Fisch eine Wassermasse vor sich her. Trifft diese auf ein Hindernis wie eine Muschel, ein Beutetier oder einen Feind, wird die Druckwelle auf das Seitenlinienorgan zurückgeworfen. Dabei zeigen Stärke und Richtung der Welle dem Fisch, wie weit weg das Hindernis ist, welche Form oder Grösse es hat – und zwar viel präziser als mit seinem „Ohr“, da die dichten Haarsinneszellen eine feinere zeitliche Auflösung erlauben. Und auch diese Fähigkeit ist in Schwärmen entscheidend: So können die Fische Zusammenstösse vermeiden. 

Weil Wasser und Luft, die Lebensräume von Mensch und Fisch, so unterschiedlich sind, können sich Hörforscher nicht direkt ein Beispiel an den Tieren nehmen. Dafür arbeiten Pharmakologen aber an Ansätzen zur Behandlung von Hörstörungen, sagt Sonovas Hörexperte Launer: „Der Zebrafisch zum Beispiel ist sehr beliebt: Er ist ein einfaches Modell, das man leicht untersuchen kann, um so Wirkstoffe zu testen.“