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Laut, lauter, am lautesten: Wie sich Vögel an Städte anpassen

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Vögel in Städten lauter und höher singen, um den Geräuschpegel von Autos, Baustellen und anderen Lärmquellen zu übertönen. Trotz lauter Umgebung sind Vögel mit Hörminderung aber selten – denn sie haben Säugetieren gegenüber einen entscheidenden Vorteil.

Loud, louder, loudest - how birds are adapting to city life

Wer in der Stadt wohnt, braucht nicht mehr unbedingt einen Wecker – ein paar Amseln und Stare in der Nachbarschaft reichen. Wenn sie am frühen Morgen anfangen zu singen, kommen sie bis auf 90,95 Dezibel. Das entspricht ungefähr dem Lärm eines Presslufthammers.

In Städten versuchen die Vögel, gegen den Lärm von Autos, Strassenbahnen, Lautsprecher-Durchsagen und andere Geräuschquellen anzukommen. Verhaltensbiologen wissen seit Jahren, dass Vögel gegen den Verkehrslärm ansingen, indem sie lauter werden. So hat das Max-Planck-Institut für Ornithologie herausgefunden, dass Berliner Nachtigallen durchschnittlich 14 Dezibel lauter zwitschern als ihre Artgenossen im Wald. Zwischen 5 und 10 Uhr unter der Woche sind sie am lautesten. Am Wochenende, wenn der Berufsverkehr wegfällt, singen sie verhaltener – so wie auch Menschen sich mit ihrer Stimme an leise und laute Umgebungen anpassen. Dass es diesen „Lombard-Effekt“ auch bei Vögeln gibt, war für die Forscher eine Überraschung. Sie waren davon ausgegangen, dass Vögel immer mit maximaler Lautstärke singen.

Vögel in Städten singen aber nicht nur lauter, sondern auch höher. Weil sich der höhere Gesang besser vom tieffrequenten Strassenlärm abhebt? Weil er über weitere Strecke zu hören ist?  Untersuchungen zeigen allerdings: Höherer Gesang kann Strassenlärm nur minimal kompensieren, und bei Amseln erst gar nicht, weil sie viel tiefer singen als zum Beispiel Kohlmeisen. Das höhere Trällern der Tiere könnte einfach ein Nebeneffekt der Lautstärke sein. Auch hier verhält sich der Vogel wie der Mensch: Wer schreit, wechselt unwillkürlich in eine höhere Tonlage – bei einer lauten Party zum Beispiel oder in einem vollen Bus. Kohlmeisen können auf Veränderungen der Umgebungslautstärke sogar direkt reagieren: Rauscht auf der Autobahn ein Lkw vorbei, singen sie besonders hoch und laut.

Dass Tiere gegen tieffrequente Lärmpegel mit hohen Tönen ankämpfen, ist laut Vogelschutzexperten, kein neues Phänomen. Man kennt es von Vögeln, die sich an reissenden Flüssen aufhalten. Erstaunlich sei aber laut den Experten, wie schnell sich viele Vögel in der Stadt innerhalb weniger Generationen an den Lärmpegel angepasst haben.

Vögel reagieren auf den Lärm – aber sie sind resistenter gegen zeitweise und endgültige Hörminderung und Schädigungen des Gehörs als Menschen oder andere Tiere: Die sensorischen Haarzellen des Innenohrs können sich erneuern – und können die intensive Lärmbelastung so ausgleichen. „Das gibt es bei Säugetieren nicht“, sagt Stefan Launer, Senior Vice President Science & Technology und Sonovas Experte in Sachen Hörforschung. „Diese Sensoren sind interessant für die Forschung, weil sie in der Zukunft Möglichkeiten aufzeigen können, wie der menschliche Hörsinn biotechnologisch geschützt oder regeneriert werden könnte.“