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Adrian Travo

“Ich habe meine Berufung gefunden“ – Ingenieur bei Sonova

Ein genetisch bedingter Hörverlust raubt Adrian Travo das Gehör. Ein Cochlea-Implantat gibt es ihm Jahre später zurück. Als Clinical Engineering Manager für die Sonova Marke Advanced Bionics hilft Adrian heute anderen Menschen dabei, wieder zu hören.

„Ich will anderen das ermöglichen, was ich selbst erleben durfte.“ Adrian Travo, Ende 30, glatt rasierter Kopf mit an beiden Seiten gut sichtbaren Cochlea Implantaten, arbeitet seit Mai 2015 bei Sonova France als Clinical Engineering Manager der Marke Advanced Bionics. Es ist seine eigene Lebensgeschichte, die ihn in diesen Beruf und direkt zu Sonova führte. „Das hier ist für mich mehr als nur ein Job. Ich sehe es als Berufung an, anderen dabei zu helfen, dass sie wieder hören können.“ Sie aus der Stille und der Einsamkeit zu führen, die er selbst so intensiv und leidvoll erlebt hat.

"Das hier ist für mich mehr als nur ein Job. Ich sehe es als Berufung an, anderen dabei zu helfen, dass sie wieder hören können."

Adrian Travo, Clinical Engineering Manager für Advanced Bionics

Adrian Travo konnte bis zu seinem 14. Lebensjahr perfekt hören. Der Schüler hatte einen grossen Freundeskreis und spielte Rockgitarre in einer Schülerband. Mit 17 jedoch beginnen die ersten Schwierigkeiten. Freunde machen kleine Bemerkungen. Auf Partys und in grosser Runde hat Adrian immer mehr Probleme, die anderen zu verstehen und den Konversationen zu folgen. Doch der Abiturient will es nicht wahr haben und macht weiter wie bisher. Zwischenzeitlich glaubt er, dass die laute Musik an seinem Hörverlust schuld ist, doch die Hörausfälle sind zu unregelmässig und auch zu stark. Dann endlich entschliesst er sich zu einem Besuch beim Ohrenarzt. Dort werden alle Zweifel ausgeräumt. Die Diagnose ist ein degenerativer Hörverlust, der genetisch bedingt ist. „Es liegt in unserer Familie. Auch mein Grossvater, meine Mutter und meine Schwester haben diese Gene. Bei der Geburt hatte mein Gehör nur eine Lebensdauer von 25 Jahren.“

Adrian bekommt zunächst Hörgeräte, doch die fortschreitende Hörminderung ist nicht zu stoppen. Mit 23 muss er die Musik an den Nagel hängen. Bald versteht er trotz Hörgeräte kaum noch etwas und beginnt, von den Lippen abzulesen. Der gebürtige Straßburger, der in Montpellier aufwächst, hat inzwischen ein Studium der Molekularbiologie angefangen. Nach dem Master wechselt er zu Biophysik, wo er auch promoviert. „Ich habe mehr als zehn Jahre lang studiert. Das hat mich gerettet. Ich weiss gar nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich nicht so lange an der Uni geblieben wäre.“ Nach dem Studium beginnt er neu, zieht nach Bordeaux um und nimmt eine Stellung in der Krebsforschung an. Durch seinen Hörverlust vereinsamt er immer mehr. „Die einzigen Menschen, mit denen ich noch zu tun hatte, waren meine Kollegen.“ Erst als eine Logopädin ihm bestätigt, dass nur noch von den Lippen liest, stoppt Travo seinen Rückzug aus der Welt der Geräusche. „Ich habe angefangen mich über Cochlea-Implantate zu informieren, habe Produkte recherchiert und deren technische Vorteile gegenüber gestellt.“ Nach reiflicher Überlegung fällt seine Wahl auf ein Implantat der Sonova Marke Advanced Bionics. „Ich hatte vorher schon Hörgeräte von Phonak und wusste, dass beide Marken zum selben Unternehmen gehören.“

 

2012 werden bei Adrian Travo die Implantate eingesetzt und kurz darauf aktiviert. Anfangs hört er nur ein metallisches Geräusch, doch bereits nach 45 Minuten kann er seine eigene Stimme vernehmen. Nach eineinhalb Stunden dann die Stimmen anderer Menschen. Nach zwei Tagen hört er sogar schon Vögel. „Ich sass im Park und hörte ein Geräusch. Dann sah ich einen Baum und Vögel. Ich hatte ganz vergessen, wie Vogelgezwitscher klingt. Es war wunderbar.“ Bald hat er den Eindruck, dass er mit dem Cochlea-Implantat-System besser hört als er es je mit den Hörgeräten vorher konnte. Doch er gibt sich nicht zufrieden: „Ich war mehrmals bei der Feinjustierung der Einstellungen. Es hat sich gelohnt. Ich verstand immer mehr.“ Wie hört er heute? „Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern, wie ich als Teenager gehört habe. Mein Gehör ist sicher nicht perfekt und manchmal bei Gruppengesprächen habe ich auch Probleme, aber es gibt Situationen, in denen ich sogar besser höre als Menschen ohne Hörverlust.“

Mit dem Implantat beginnt für den jungen Mann ein neues Leben. „Der Tag, an dem mir die Implantate eingesetzt worden sind, ist mir heute wichtiger als mein Geburtstag. Ich habe mein Leben zurückgewonnen, will davon profitieren und noch viele besondere Dinge erleben.“ Diesen Wunsch setzt er um. schon bald macht er sich mit dem Motorrad, seiner grossen Leidenschaft, auf zu einer Tour durch Frankreich, um seine alten Freunde zu besuchen. Die erkennen Adrian kaum wieder. „Sie sagten, ich wäre jetzt so voller Energie und so lustig. Ich würde endlich wieder lachen. Da erst habe ich gemerkt, wie stark das Handicap mein Leben beeinflusst hat. Manche haben sogar geweint, als sie mich sahen. Sie sagten, es sei ein Wunder. Und das ist es auch!“ Der junge Mann ist stolz auf seine Cochlea-Implantate und rasiert sich ganz bewusst den Kopf, damit sie alle gut sehen können. Es vergeht kaum ein Tag, wo er nicht auf die beiden Sendespulen seines Soundprozessors angesprochen wird, die mit Hilfe eines Magneten auf der Kopfhaut haften. „Die Leute denken oft, ich arbeite in der Armee oder als Leibwächter. Ich finde, es schaut sexy aus. Es doch einfach cool, ein Cyborg zu sein.“ 

" Es war meine allererste Aktivierung bei einem Baby und ich war sehr nervös. Einen Monat später rief mich die Mutter an, um mir zu sagen, dass alles gut wäre. Seitdem sind wir im Kontakt. Ich verfolge jetzt schon über Jahre Léas Fortschritte. Sie hört alles und ist in ihrer Sprachentwicklung ihren Altersgenossen sogar voraus! Es ist unglaublich."

Dass andere Menschen mit Hörverlust oder auch Eltern von betroffenen Kindern sich aus ästhetischen Gründen gegen ein Cochlea-Implantat entscheiden, kann der hochgewachsene, fast 1,90 m grosse Mann nicht verstehen. Als Clinical Engineering Manager von Advanced Bionics für Frankreich, die französische Schweiz und Belgien, kümmert er sich um die technische Schnittstelle zwischen dem Krankenhaus und Advanced Bionics und erlebt dabei selbst, welche positiven Entwicklungen gerade Kinder mit Implantat nehmen können: „Wenn man früh Babys damit ausstattet, funktioniert das sehr gut. Die Kleinen können die gleiche Entwicklung nehmen wie normal hörende Kinder.“ So wie Léa Corbin aus Nogent sur Seine. Das Mädchen ist 13 Monate alt, als Travo ihr Cochlea-Implantat-System aktiviert. „Es war meine allererste Aktivierung bei einem Baby und ich war sehr nervös. Einen Monat später rief mich die Mutter an, um mir zu sagen, dass alles gut wäre. Seitdem sind wir im Kontakt. Ich verfolge jetzt schon über Jahre Léas Fortschritte. Sie hört alles und ist in ihrer Sprachentwicklung ihren Altersgenossen sogar voraus! Es ist unglaublich.“ 

"Die meisten Eltern fühlen sich dank mir in ihrer Entscheidung für Implantat bestärkt. Sie wissen, dass ich es selbst erlebt habe und weiss, wovon ich spreche. Manche sagen mir, dass sie hoffen, dass ihre Kinder genauso werden wie ich. Das rührt mich sehr."

Dass der Sonova Mitarbeitende selbst ein Implantat von Advanced Bionics trägt, kommt ihm bei seiner täglichen Arbeit sehr zugute. „Die meisten Eltern fühlen sich dank mir in ihrer Entscheidung für Implantat bestärkt. Sie wissen, dass ich es selbst erlebt habe und weiss, wovon ich spreche. Manche sagen mir, dass sie hoffen, dass ihre Kinder genauso werden wie ich. Das rührt mich sehr.“ Als er im Frühjahr 2019 Léa wieder einmal zuhause besucht, ist die Freude bei dem kleinen Mädchen gross. Aus Léa ist mittlerweile ein aufgewecktes Vorschulkind geworden.  Die Kleine überrascht ihren „Freund Adrian“ mit einem Bild, das sie gemalt hat. Das Bild nimmt der 38-Jährige gerührt mit nach Hause. Er hat sich die Kinderzeichnung eingerahmt und über seinen Bürotisch gehängt. „Wenn ich auf diese Zeichnung blicke, dann weiss ich, wofür ich arbeite.“